Ernte in Gefahr - keine frischen Salate im Sommer?

Es fehlen 300.000 Erntehelfer – bei Gemüse drohen Lieferengpässe
Unsere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betont immer wieder, dass die Lebensmittelversorgung in Deutschland trotz der Corona-Krise gesichert ist. In der Tat liegt der Selbstversorgungsgrad bei wichtigen Nahrungsmitteln wie Getreide, Kartoffeln, Fleisch oder Milch bei über 100%. Für Äpfel aus dem Alten Land trifft dies ebenfalls zu, nicht dagegen für andere Obstsorten, Honig und Eier.

Ganz anders sieht es da beim Gemüse aus. Vor allem im Winter wird viel Gemüse aus südlichen Ländern wie Spanien und Italien importiert. Tomaten und Gurken kommen das ganze Jahr über größtenteils aus den Niederlanden. Vor diesem Hintergrund ist der geringe Selbstversorgungsgrad bei Gemüse erklärbar. Mit Beginn der Spargelsaison sind wir es spätestens ab Ostern gewohnt, dass wir mit frischem Feldgemüse von unseren regionalen Erzeugern versorgt werden. Dies kann sich durch die aktuelle Corona-Pandemie drastisch ändern, mit ruinösen Folgen für unsere heimischen Gärtner und Bauern.

Nach einer aktuellen Berechnung des Bundeslandwirtschaftsministerieum fehlen in Deutschland 300.000 Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, wenn es weiterhin bei den Corona bedingten Resiebeschränkungen bleibt.

Anbau und Ernte von Freilandgemüse ist sehr arbeitsintensiv. Zu 95% werden diese Arbeiten von Saison-Arbeitskräften vor allem aus Osteuropa übernommen. Seit dem 23. März besteht aber ein Einreiseverbot für die dringend benötigten Arbeiter und Arbeiterinnen aus Rumänien, Bulgarien und anderen Ländern, die nichr dem Schengen-Raum angehören. Polnische Arbeitskräfte dürfen zwar derzeit noch einreisen, viele kommen aber nicht, weil sie eine Ansteckung durch das Corona-Virus befürchten. Darüber hinaus müssen sie nach der Rückreise pauschal für 14 Tage in Quarantäte.

Aktuell spüren das schon die Spargelbauern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Viele Erntehelfer sind gar nicht erst angereist, bzw. dürfen nicht mehr kommen. Die ersten Anlagen werden bereits ungeerntet liegen gelassen.

Gemüsegärtner in Gebieten wie z.B. Moorwerder oder den Vier-und Marschlanden pflanzen bereits seit Mitte März Freilandgemüse wie Bunte Salate, Kohlrabi, Frühkohl, Feldsalat, Ruccola oder Sellerie. Alle Pflanzbeete müssen gegen Frost mit Vliesbahnen abgedeckt werden. Neben der Pflanzung selbst erfordert diese Arbeit eine gute körperliche Fitness.

Ab Ende April beginnt in den norddeutschen Gemüsebaubetrieben die Ernte des Freilandgemüses. Spätesten jetzt benötigen die Betriebe ihre erfahrenen und leistungsfähigen Erntehelfer. Bis zu 25 Sätze müssen nun Tag für Tag bis Ende Oktober geerntet werden. Die Arbeit beginnt in den frühen Morgenstunden und endet oftmals erst spät am Abend. Erst wenn die letzte Bestellung verpackt ist, kann Feierabend gemacht werden. Die Gemüsegärtner wissen, in der Erntesaison dauern die Arbeitstage länger und auch am Wochenende muss geerntet werden, damit am Montagmorgen die Lebensmittelgeschäfte wieder mit frischer Ware bestückt werden. Die viele Arbeit in der Saison wird über Arbeitszeitkonten mit den Wintermonaten verrechnet.

Dirk Beckedorf, Gemüsegärtner aus Hamburg befürchtet bei einem Anhalten der Corona-Pandemie erhebliche Ernteprobleme im deutschen Gemüsebau. „Sollte das Einreiseverbot für osteuropäische Saisonarbeiter bestehen bleiben, könnte es in Deutschland zu Lieferengpässe mit frischem Gemüse kommen“, sagt Dirk Beckedorf, der in seinem Betrieb Bunte Salate, Ruccola und Feldsalat für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel anbaut.

„Schon jetzt vernichten viele Gärtner die bestellten Jungpflanzen, weil sie nicht wissen, wie sie diese später ernten sollen“ führt Beckedorf weiter aus.

Für seinen eigenen Betrieb zeigt sich Dirk Beckedorf noch optimistisch. „Zum einen zahlt es sich jetzt aus, dass wir viele arbeitsintensive Arbeiten bei der Ernte und Aufbereitung automatisiert haben. Zum anderen bin ich überrascht von der großen Anzahl Menschen, die sich aktuell bei uns bewerben“. Neben Anfragen polnischer Arbeitssuchender sind dies auch Menschen aus Deutschland, dabei viele, die aus reiner Solidarität die Gärtner und Bauern in diesen Zeiten unterstützen möchten.

Bei den Obstbauern im Alten Land werden Saison-Arbeitskräfte mit Beginn der Apfelernte von Ende August bis Ende Oktober benötigt. Noch hoffen alle darauf, dass sich bis dahin die Lage wieder normalisiert hat.

Der Bundesverband der Maschinenringe hat in Kooperation mit dem Bundeslandwirtschafts-ministerium die Plattform www.daslandhilft.de/ aufgelegt hat. Sehr empfehlenswert ist auch die Seite des Deutschen Bauernverbands und der Landesbauernverbände www.saisonarbeit-in-deutschland.de

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob der Ausfall der osteuropäischen Saisonkräfte auf dem heimischen Arbeitsmarkt kompensiert werden kann. Erste positive Rückmeldung von Spargel-Bauern gibt es bereits dazu.