Ackern für Hamburg trotz Corona-Krise

Frühling 2020, die Sonne scheint und bei strahlend blauem Himmel entwickelt sich der April zum neuen Wonnemonat des Jahres. Die Bedingungen für die Feldarbeiten sind nahezu optimal und die Frühjahrsbestellung kommt gut voran. Alles könnte so schön sein, ist es aber nicht, denn dieses Jahr ist alles anders als zuvor. Ein Virus mit dem harmlosen Namen Corona hat sich zu einer weltweiten Pandemie ausgebreitet mit nicht abschätzbaren Folgen für unser aller Leben. Nahezu alle Staaten haben weltweit mit strikten Restriktionen und einem nahezu kompletten Zurückfahren des öffentlichen Lebens mit der Hoffnung reagiert, dass die Gesundheitssysteme nicht kollabieren und die Ansteckungsraten der Bevölkerung so gestreckt werden. Im Vergleich zu anderen Ländern kommt Deutschland bisher relativ gut mit der Krise klar, die Sterblichkeitsrate ist bis dato relativ gering und immer mehr infizierte Menschen sind wieder geheilt. Die schon früh verfügten Reglementierungen der Bundesregierung wurden bis auf wenige Ausnahmen von der Bevölkerung diszipliniert umgesetzt und das deutsche Gesundheitssystem scheint doch viel besser zu sein als sein Ruf.

Bei allem Restriktionen, Ängsten und Nöten ist es durchaus möglich, der Covid-19 Krise auch ein paar gute Seiten abzugewinnen. „In Krisenzeiten zeigt sich der wahre Charakter der Menschen“, hat unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Schmidt so treffend formuliert. Unsere Wertschätzung für die Menschen in Berufen gestiegen, die sonst nur im Hintergrund bei oftmals geringen Gehältern fleißig in der Pflege, in Krankenhäusern oder an der Supermarktkasse ihre Arbeit verrichten. Diesen vielen Frauen und aber auch Männern gilt in der jetzigen Zeit unser ganz besonderer Dank.

Dieses Dankeschön gebührt aber auch allen Bauern und Bäuerinnen, Gärtner und Gärtnerinnen die trotz Corona in ihren Betrieben und auf den Feldern und Äckern täglich ihrer Arbeit nachgehen. Den Mitbürgern wird in der Krise vor Augen geführt, wie wichtig die Landwirtschaft für unser Land ist und dass es vielleicht doch besser ist, Nahrungsmittel direkt vor Ort zu produzieren. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt, in dem sie die Landwirtschaft als eine der wenigen Branchen für systemrelevant erklärt und mit somit von vielen Auflagen verschont hat.

Das Team in der Zentrale des Deutschen Bauernverbandes hat gemeinsam mit den Mitarbeitern der Landesverbände binnen kurzer Zeit ein Krisenmanagement aufgebaut, das bundesweit nicht nur bei den eigenen Mitgliedern höchste Anerkennung erfahren hat. So konnte die vom Bundesinnenminister verfügte Einreisesperre für osteuropäische Saisonarbeiter innerhalb einer Woche rückgängig gemacht werden. Über die kurzfristig eingerichtete Internetplattform des DBV konnten so in den ersten Wochen über 25.000 Erntehelfer eingeflogen werden, die dringend für die Ernte von Spargel und Frühgemüse benötigt wurden.

Nach mittlerweile 6 Wochen Krisenmodus stellt sich die Frage, welche Folgen Covid-19 für unsere hiesige Landwirtschaft hat. Wie gehen die Betriebe mit der Situation um? Ein kleiner Blick hinter die Kulissen unserer vielfältigen Hamburger Agrarwirtschaft soll zeigen, was gerade für Arbeiten anstehen und wie unsere Bauern und Gärtner mit der Krise umgehen.

Ackerbau rund um Hamburg
Dank der regenreichen Wintermonate konnte der Wasservorrat in den Böden in fast allen Regionen wieder aufgefüllt werden. Ab Mitte März wurde es zum Glück trockener und die notwendigen Feldarbeiten konnten bei nahezu perfekten Bedingungen durchgeführt werden. Das Homeoffice unserer Landwirte befindet sich in dieser Zeit auf ihren Schleppern draußen in der freien Natur – ohne Schutzmaske, Desinfektionsspray und einem Sicherheitsabstand zum nächsten Mitmenschen von vielen hundert Metern. Hier hat Corona zum Glück keinen spürbaren Einfluss auf die notwendigen Arbeiten.

Größere Sorgen bereitet Ende April weniger die Corona-Krise sondern viel mehr die Wetter-vorhersage für die kommenden Tage. Es soll weiterhin sonnig bleiben und der starke Ostwind zieht zunehmend das Wasser aus den Böden. „Bei der Sommergerste ist schon jetzt das Wachsen zum Stillstand gekommen“, berichtet Anja Siemers, Landwirtin aus den Vier- und Marschlanden. „Dagegen hat der Winterweizen sehr unter den starken Niederschlägen im Winter gelitten. Mais werden wir dann aussäen, wenn die Gefahr von Nachfrösten vorüber ist. Das wird in den kommenden Tagen der Fall sein,“ sagt die sympathische Anja Siemers in ihrem Statement.

Beim Grünland sieht es nicht viel besser. Zwar schützt die dichte Grasnarbe vor Verdunstung, durch den Wassermangel werden aber keine Nährstoffe aufgenommen. Seit Woche ist das Gras auf den Wiesen nicht gewachsen. Wenn es nicht bald Regen gibt, wird der erste Schnitt komplett ausfallen.

Obstbau im Alten Land
Im Alten Land haben der warme März und April zu einer erheblich verfrühten Obstblüte geführt. Trotz Corona-Auflagen wagen sich viele Hamburger für einen kurzen Ausflug ins Alte Land und erfreuen sich bei herrlich blauem Himmel an der Blüte der Zwetschgen, Kirschen und Apfelbäumen. Was Sie nicht sehen, ist, dass nahezu alle Obstbauern trotz Corona-Krise nachts ihre warmen Stuben verlassen und auf ihren Plantagen die Beregnung anstellen. Denn wolkenloser Himmel bedeutet zwar am Tag schönstes Ausflugswetter, nachts wird es aber um diese Jahreszeit noch bitterkalt mit Temperaturen von bis zu -5°C. Ohne Schutz würden die empfindlichen Obstblüten jetzt binnen weniger Stunden erfrieren, die Ernte eines ganzen Jahres wäre zerstört. Zum Glück verfügen nahezu alle Hamburger Obstbauern über eine Frostschutzberegnung, die immer dann angestellt wird, wenn die Temperaturen unter 0°C fallen. Obstbauer Ulrich Harms berichtet: „In diesem Jahr ist es besonders schlimm: Bis Ostern haben wir bis zu 10 Nächte hintereinander beregnen müssen.“ Zufrieden ist Harms trotzdem: „Der Aufwand hat sich gelohnt, es gibt kaum Frostschäden in den Obstanlagen. Nur die Böden sind so durchnässt, dass wir kaum noch mit unseren Schleppern fahren können.“

Covid-19 hat aber noch für andere Probleme auf vielen Obstbaubetrieben in diesem Frühjahr gesorgt. Viele osteuropäische Fachkräfte, die normalerweise die gesamte Saison auf den Betrieben tätig sind, wurden aufgrund der Angst vor Corona von ihren Familien nach Hause gerufen. „Normalerweise sind wir mit unseren Schnitt- und Pflegearbeiten schon längst fertig“, sagt Obstbauer Rolf Meyer. „Da mehrere meiner polnischen Facharbeiter, die seit vielen Jahren bei uns tätig sind, aufgrund von Corona zu Hause bleiben, sind wir erheblich im Verzug. Rolf Meyer freut sich sehr darüber, dass viele Hamburger spontan ihre Hilfe für die Arbeit bei den Bauern angeboten haben, gerade die Pflegearbeiten erfordern aber langjährige Erfahrung und Fachkenntnisse. „Mitte Juni beginnt die Ernte unserer leckeren Dachkirschen“, führt Rolf Meyer weiter aus, „dann benötigen wir erhebliche mehr Erntehelfer. So richtig los geht es dann zur Apfelernte ab Ende August. Da können wir gerne auch ungeübte Erntehelfer einstellen.“

Mit Beginn der Apfelblüte in der letzten Aprilwoche benötigen die Obstbauern im Alten Land Zigtausende Mitarbeiterinnen, die ohne Quarantänevorschriften und Grenzkontrollen auf ihren Anlagen zum Einsatz kommen. Ohne ihren Einsatz würden im Sommer und Herbst nur wenige Kirschen oder Äpfel an den Bäumen hängen. Diese Arbeiterinnen verlangen trotz Covid 19-Krise noch nicht einmal Geld für ihre so wichtige Tätigkeit. Wozu auch, denn diese fleißigen Feldarbeiterinnen werden mit einer anderen Währung entlohnt, und diese nennt sich Honig. Natürlich habe sie es schon längst geahnt, dass es sich bei diesen Saisonkräften um „Bienen“ handelt, welche ganz gezielt zur Bestäubung eingesetzt werden.

Gemüsebau in Moorwerder, den Vier- und Marschlanden und Reinbek
Im Gemüsebau werden seit Mitte März die ersten Sätze Gemüse im Freiland gepflanzt. In Hamburg sind dies neben vielen anderen Kulturen vor allem Bunte Salate, Römersalat, Ruccola, Kohlrabi und Frühkohl. Gemüsebauer Heiko Meyer aus Moorwerder ist mit dem diesjährigen Start ganz zufrieden: „Die vielen Niederschläge seit Oktober letzten Jahres haben die Wasservorräte in den Böden wieder gut aufgefüllt. Zum Glück hörte der Regen Ende Februar auf, so dass wir rechtzeitig zum Pflanzbeginn im März die Böden bearbeiten und pflanzen konnten.“ Gepflanzt wird mit Maschinen, auf denen 3 Personen die Jungpflanzen einlegen. Nach der Pflanzung müsse die Beete zum Schutz vor Frost mit Vlies abgedeckt werden.

Die meisten Hamburger Gemüsegärtner haben neben dem Freiland auch noch Gewächshäuser, in denen sie eine Frühkultur wie Bunte Salate und für den Sommer Gurken und Tomaten anpflanzen. Vor allem Salate wie Lollo rossa, Lollo bionda oder Batavia stehen aufgrund des sonnigen Aprilwetters jetzt zur Ernte an. Diese können die Hamburger ab sofort auf den Wochenmärkten oder in ausgesuchten Lebensmittelfachgeschäften kaufen. Sprechen Sie die Marktleiter in ihrem Supermarkt gerne an und fragen ihn nach den frischen Gemüsearten aus der Region.

Im naheliegenden Reinbek ging im Betrieb Beckedorf Frischgemüse zu Ostern die Freilandernte von frischem Feldsalat los. Der moderne Gemüsebaubetrieb setzt dabei erstmalig Erntemaschinen ein, die den Schnitt des Feldsalates übernehmen. In der Abpackhalle werden die Salate dann gewaschen, abgewogen, verpackt und innerhalb weniger Stunden zum Supermarkt transportiert. „Dieses Jahr beginnt die Ernte früher als sonst“, berichtet Inhaber Dirk Beckedorf. „Mit Ruccola werden wir Ende April beginnen, die Ernte der Bunten Salate startet Anfang Mai“, berichtet Beckedorf. „Da die Restaurants und Kantinen geschlossen sind, kaufen die Menschen mehr Lebensmittel in den Supermärkten und auf den Großmärkten ein. Als Lieferant des deutschen Lebensmitteleinzelhandels profitieren wir derzeit sehr gut davon, die Bestellungen sind höher als die verfügbare Ware“, führt Beckedorf weiter aus.

In den Vier- und Marschlanden stehen zu Ostern in den Gewächshäusern vieler Gemüsegärtner vor allem die ersten regionalen Bunten Salate zur Ernte an. Auch hier zeigt sich das gleiche Bild: in den Lebensmittelgeschäften und auf den Wochenmärkten finden die Salate schnell ihre Käufer, wer sich allerdings auf die Belieferung der Hamburger Gastronomie spezialisiert hat, muss sich in Corona-Zeiten andere Absatzwege suchen.

Schon jetzt stehen die vielfältigsten Produkte aus den Hamburger Höfen und Gärtnereien erntefrisch und in bester Qualität zur Verfügung. Unterstützen Sie ihre Bauern und Gärtner vor Ort und kaufen Sie bewusst regional ein. Die Erzeugnisse finden Sie auf den vielen Hamburger Wochenmärkten und in Lebensmittelfachgeschäften. Sprechen Sie die Marktleiter in ihrem Supermarkt gerne an und fragen ihn nach den frischen Gemüsearten und Blumen aus der Region.

„Aus Krisen erwachsen auch immer neue Kräfte“ sagte einmal sehr treffend die CDU-Politikerin und Präsidentin des deutschen Bundestages (1988 – 1989). Es wird eine Zeit nach Covid-19 geben und wir hoffen sehr, dass die Menschen sich auch dann noch daran erinnern, wie wichtig die hiesige Landwirtschaft für ihr Leben ist.