Bauern-Demo in Hamburg auf dem Gänsemarkt

Bauernaufstände kennen wir bisher nur aus dem Geschichtsunterricht in der Schule. Dies sind schon viele hundert Jahre her und richteten sich gegen die ungerechte Behandlung und Ausbeutung durch die Lehnsherren, Fürsten und Monarchen. Lange sind die Aufstände der Bauern vorbei, doch im Herbst 2019 fegt ein Proteststurm der Bauern über Deutschland hinweg. Zu Tausenden gehen die Bauern wieder auf die Straße bzw. fahren mit kilometerlangen Treckerkonvois in die Städte, um zu demonstrieren. So mancher Stadtbewohner fragt sich, was da los ist? Erklärt man den staunenden Passanten, warum die Bauern derzeit auf die Barrikaden gehen, zeigen die meisten Menschen Verständnis für die Bauernproteste.

Doch warum geht der wütende Protest der Bauern weit über das Gewohnte hinaus? Dass Fass zum Überlaufen hat das jüngst von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltministerin Svenja Schulze beschlossenen Agrarpaket. Neben der erneuten Verschärfung der Dünge-VO bedeutet vor allem das geplante Insektenschutz-Programm einen noch nie da gewesenen Eingriff in die deutsche Agrarwirtschaft. Nach den bisher bekannten Entwürfen der werden auf 25% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands keine Produktion mehr möglich sein. Eine bedarfsgerechte Düngung sowie Pflanzenschutzmaßnahmen werden dort pauschal verboten. Die Bauern und Gärtner verstehen nicht, warum sie scheinbar alleine für den Klimawandel, Umweltverschmutzung oder das Insektensterben verantwortlich gemacht werden. Gerade Sie sind es doch, die auf die Bestäubung ihrer Kulturen durch Bienen und andere Insekten angewiesen sind. Aus gutem Grund haben die deutschen Bauern in den letzten Jahren Blühstreifen in einer Fläche angelegt, die mehrmals um den Äquator reicht. Würde z.B. auch die zunehmende Versiegelung der Landschaft oder der ausufernde Straßenverkehr in gleicher Weise sanktioniert werden, hieße dies, dass jeder vierte Bundesbürger seinen Pkw abgeben müsste oder das 25% der Bundestrassen und Autobahnen geschlossen werden müssten! Da dies nicht geht, stürzt sich die Bundesregierung lieber auf die vermeintlich schwachen Bauern und damit auch auf den gesamten ländlichen Raum.

Zu großem Frust der Bauern führt aber auch die geringe Wertschätzung ihrer Tätigkeit. Das sogenannte Bauern-Bashing nimmt nicht nur in den sozialen Medien immer groteskere Formen an. Noch schmerzhafter ist, dass Kinder von Landwirten schon in den Schulen gemobbt werden, wie Sie von einem Bauernhof kommen. Mittlerweile möchten immer weniger Kinder von Landwirten den Hof ihrer Eltern übernehmen. Die geringe Wertschätzung spüren die Betriebe natürlich auch bei den erzielten Preisen, die für die meisten in Deutschland erzeugten Erzeugerpreise kaum noch kostendeckend sind. Nirgendwo in Europa wir so wenig Geld für Gemüse, Obst, Milch oder Fleisch von den Verbrauchern ausgegeben wie in Deutschland.

Bereits im Oktober fanden mehrere Bauerndemonstrationen im gesamten Bundesgebiet statt. Nun ist Hamburg in den Fokus der Bauernproteste gerückt. Der Bauernverband Hamburg e.V. hat zusammen mit dem Aktionsbündnis Forum Natur AFN anlässlich der in Hamburg stattfindenden Konferenz der Umweltminister zu einer Demonstration gegen die aktuelle Agrarpolitik aufgerufen. Tausende Bauern und Bäuerinnen aus dem gesamten Bundesgebiet sind dem Aufruf gefolgt und haben sich am Donnerstag, den 14.11.19 auf dem Gänsemarkt zur zentralen Kundgebung eingefunden. Gleichzeitig hat das Aktionsbündnis "Land schafft Verbindung" zu einer großen Trecker-Demo und Sternfahrt durch Hamburg aufgerufen. Nach der beeindruckenden Fahrt von etwa 4.000 Traktoren trafen sich alle Teilnehmer auf dem Gänsemarkt, nur wenige Meter von der im Hotel Marriot stattfindenden Konferenz der Umweltminister.

Bereits Stunden vor dem offiziellen Veranstaltungsbeginn trafen immer mehr Menschen auf dem Kundgebungsgelände ein. So haben alleine vom westfälischen Bauernverband 6 Busse mit 300 Teilnehmern die Reise nach Hamburg angetreten. Stark vertreten waren auch die neuen Bundesländer mit geschätzten 600 angereisten Landwirten. Selbst aus Bayern hat sich eine Gruppe von 20 engagierten Bauern auf den Weg nach Hamburg gemacht. So richtig voll wurde der Platz natürlich durch die Anreise der vielen Bauern unserer Nachbarn aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen. Pünktlich zum Beginn der Kundgebung befanden sich etwa 5.000 Bauern und Bäuerinnen auf dem Gänsemarkt. Damit hat Hamburg am 14.11.2019 eine seiner historisch größten Bauerndemonstrationen seit Jahrzehnten erlebt.
Für die hiesigen Bauern und Gärtner ist es mittlerweile unverständlich, wie sich die Politik hier verhält. Gerade bei so wichtigen Themen wie Klimawandel, CO2-Einsparung, Gewässerschutz und Bio-Diversität sind doch gerade die hiesigen Landwirte, Gärtner und Obstbauern die Lösung des Problems und nicht das Problem selbst. Mit der aktuellen Politik beerdigen die Politiker die deutsche Landwirtschaft. Sie forcieren einen Prozess, der schon längst in Gange ist, immer mehr Erzeugnisse werden aus Osteuropa, Asien oder Südamerika importiert. Die Hälfte der in Deutschland verwendeten Eier kommen mittlerweile aus Osteuropa und China. Das Wohl der Tiere in diesen Ländern scheint unseren Umweltpolitikern egal zu sein, die langen Transportwege ebenfalls. Als Krönung wird dann noch ein Mercosur-Abkommen beschlossen, damit landwirtschaftliche Produkte subventioniert aus Südamerika nach Europa importiert werden. Wer ist da noch verwundert, dass die deutschen Bauern es leid sind.

Nachdem Moderator Eberhard Hartelt (stellvertr. Vorsitzender AFN und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.) die Kundgebung eröffnet hat, begrüßte Präsident Martin Lüdeke die Teilnehmer der Kundgebung. In seiner Rede forderte er ein Reset des Agrarpaketes und eine Rückkehr zur Politik des Dialogs mit der Landwirtschaft. Für das Bündnis LSV sprach Thomas Andresen deutliche Worte in Richtung Umweltminister. "Wir werden nicht aufhören mit unseren Protesten, solange Sie Ihre Politik nicht ändern! Die nächste Sternfahrt ist bereits geplant: Am 26. November werden sich tausende Schlepper Richtung Berlin aufmachen.

Weitere Redner wie Jörn Ehlers (Vizepräsident Landvolk Niedersachsen) oder Detlef Kurrek (Präsident Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern) machten den Ernst der Lage in ihren Beiträgen deutlich. "Hören Sie endlich auf mit ihren einseitigen Schuldzuweisungen und geben Sie nicht ständig den Bauern die Schuld für alle Probleme unseres Landes“.

Die Hamburger Landwirtin Anja Siemers appellierte an die Politik, der Landwirtschaft endlich eine sichere Zukunft zu gewährleisten. „So wie es jetzt läuft, sehen unsere Kinder keine Perspektiven für diesen wunderschönen Beruf. Schon jetzt finden viele Betriebe keinen Hofnachfolger mehr“.

In die gleiche Richtung zielt auch die beeindruckende Rede des Hamburger Junglandwirts Jakob Wörmke. Er fordert ebenfalls verlässliche Strukturen für die Betriebe und erklärt, was jetzt schon alles von den gut ausgebildeten Landwirten für Insektenschutz, Tierwohl und Umweltschutz getan. Die UMK im nahegelegenen Hotel wurde um 13:00 Uhr für ein Gespräch mit der Delegation der Veranstalter unterbrochen. Dabei wurde eine Petition mit den zentralen Forderungen der Landwirtschaft übergeben.

Im Anschluss an das Gespräch begaben sich die Landes-Umweltminister Olaf Lies (Nds), Till Backhaus (MVP), Jörg Vogelsänger (Brandenburg), Dr. Maike Schäfer (Bremen), Thomas Schmidt (Sachsen) sowie Umweltsenator Jens Kerstan (HH) auf den Kundgebungsplatz und stellten sich den 5.000 Teilnehmern. In Ihren Statements sprachen die meisten Minister Ihre hohe Anerkennung für die Leistung der deutschen Landwirtschaft aus, appellierten aber auch an die Umsetzung der gesellschaftlichen Forderungen nach Klima-, Gewässer- und Insektenschutz.
Für ein gellendes Pfeifkonzert hat die Ansprache von Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan gesorgt, der die Landwirtschaft pauschal für die Trinkwasserprobleme in Hamburg machte.

Zum Ende der Demonstration waren sich alle Teilnehmer einig, dass die heutige Kundgebung äußert erfolgreich verlaufen ist. Derzeit scheint es nur auf diesem Weg nötig zu sein, dass die Sorgen der Landwirtschaft und Gärtner auch von den Medien und einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch in Berlin tragen die Aktionen erste Früchte: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat sich mit dem Verbandsrat des DBV (Vorstand, Präsidenten und Hauptgeschäftsführer im Landwirtschaftsministerium getroffen. Bezüglich des Agrarpaketes machte Sie deutlich, dass noch Anpassungen vorgenommen werden können. Für die kommenden Wochen und Monate sollen runde Tische mit Vertretern aus der Politik, dem Umweltschutz und des Bauernverbandes eingerichtet.

Davon lassen sich die Bauern in diesem Herbst nicht beruhigen. „In Hamburg sagt man Tschüss!“ jetzt geht es weiter nach Berlin. Für den 26.11.2019 ist die nächste große Bauerndemonstration in Berlin angesagt. Die ersten Trecker-Kolonnen habe sich bereits auf den Weg gemacht.